Anica muss für zwei Wochen nach Deutschland zurück, und ich habe die Option, alleine in Marrakech zu bleiben, oder zusammen mit Yidir zu seiner Familie nach Merzouga in die Wüste zu fahren. Natürlich wähle ich die Wüste!
Wir fahren in einem Tag nach Merzouga. Die Fahrt ist lange aber unterwegs machen wir viele Stops. Wir sehen im hohen Atlas die Sonne aufgehen, Frühstücken an der Kasbah de Télouet mit ihren wunderschönen, detailreichen, mosaikverzierten Räumen und besichtigen die alte Stadt Ksa Ait Ben Haddou, deren Stadtore ich aus Filmen und Serien wie Gladatior und Game of Thrones wiedererkenne.
Endlich angekommen falle ich nur noch ins Bett und freue mich auf den nächsten Tag, denn dann fahre ich in die Wüste und werde im Wüstencamp schlafen.
Als ich von der 170m hohen Düne, die ich soeben erklommen habe, den Blick schweifen lasse, ist das erste was mir auffällt, der unendliche Friede, den diese Landschaft ausstrahlt. In einer Richtung erstrecken sich die sanften Hügel der Dünen bis zum Horizont. Es ist absolut still. Man hört keinen Vogel, keinen Wind, keine Zivilisation. Diese Ruhe überträgt sich schnell auf mich und dort oben auf der Sanddüne, mit den letzten Sonnenstrahlen im Gesicht, breitet sich große Zufriedenheit in mir aus. Während vor mir die Sonne im Sand versinkt geht hinter mir langsam der Vollmond auf. Ich streiche mit meinen Händen über den langsam kühler werdenden Sand, und betrachte die Landschaft, die sich im hellen Mondlicht farblos unter mir ausbreitet. Hier könnte ich ewig bleiben.
Am nächsten Tag stehen wir bei Sonnenaufgang auf. Sobald die Sonne ihre Strahlen auf den Sand wirft, wird er warm und leuchtend orange. Überhaupt ist das Licht in der Wüste besonders intensiv und taucht alles in einen warmen Farbton, der mich durch die Tage in Merzouga begleitet. Als wir wieder aus der Wüste herausfahren und ich zurückblicke, sehe ich die verschiedenen Farben der Dünen, und werde an einen Regenbogen erinnert. Eingerahmt vom strahlenden Indigo des Himmels und dem verschleierten Grün der Dattelpalmen erstrahlt jede Reihe von Dünen in einem anderen Ton. Die kleinste von ihnen ist hell und gelb, die mittlere Reihe satt orange, und die hinterste, größte Dünenreihe ist dunkler und wirkt besonders im Abendlicht fast lila.
Dieses Farbenspiel verändert sich über den Tag hinweg, und schafft es auch nach Tagen noch, meinen Blick zu fesseln. Ich kann nicht anders als innehalten, sobald mein Blick auf die nahe liegende Wüste trifft. Allein für diesen Anblick hat es sich gelohnt, die lange Fahrt von Marrakesch nach Merzouga anzutreten.
© Corinna Kaempfe für NOSADE 2016
Corinna berichtet wöchentlich über ihre Erfahrungen und Abenteuer ihres Praktikums bei NOSADe in Marokko.